Es ist Samstagabend, der 10. März 2018, als wir dieses kleine Wesen zum ersten Mal sehen. Sie gehört der Familie, auf deren Nachbargrundstück wir campen wollen. „Wir haben Welpen“, sagen sie. „Ach, die schauen wir uns mal schnell an“, antworten wir. Neun Welpen sind es insgesamt: acht Weibchen und ein Rüde. Vier sind schon vergeben, fünf warten noch. Sie sehen unterschiedlich aus, was auf verschiedene Väter hindeutet – typisch für Straßenhunde. Etwa zwei Monate alt sind sie, doch eine ist kleiner und viel dünner als die anderen. Diese kleine Hündin lässt uns die ganze Nacht nicht los. Sie sieht so traurig aus.
Am nächsten Morgen wollen wir uns nur schnell bei der Familie bedanken und verabschieden. Doch die kleine Hündin sitzt wieder traurig da und wirkt abwesend. „Sie muss sich immer übergeben“, sagt Lauren. „Irgendwas stimmt nicht mit ihr. “ Die Mutter lässt die Welpen nicht mehr trinken. Ab und zu schafft es einer, ein paar Tropfen Milch zu ergattern, aber die kleine Hündin hat keine Chance. Wir holen Hundefutter aus dem Auto und füttern sie. Doch bald erbricht sie wieder, winselt und leidet. Wir überlegen, was wir tun sollen. Wir bieten der Familie an, sie zu einem Tierarzt zu bringen und die Behandlung zu bezahlen. Doch weil es Sonntag ist, finden wir keine geöffnete Tierklinik. Am Montag ist Feiertag, also auch da nichts. Wir bieten an, sie ein paar Tage mitzunehmen, am Dienstag zum Tierarzt zu gehen und sie dann zurückzubringen. Doch die Familie signalisiert, dass sie sie nicht zurückhaben wollen und sogar sagt, sie würden warten, bis sie stirbt, um sie dann auf den Müll zu werfen. Das schockiert uns. Also kommt es für uns nicht mehr infrage, sie zurückzulassen. Sie kommt mit!
Ich frage Lauren nach einem Eimer Wasser, und Christoph holt Spülmittel, ein Handtuch und eine Pinzette aus dem Auto. Wir entfernen ein paar Zecken aus ihren Ohren, eine so groß wie eine Kichererbse, und waschen die Kleine. Zuerst protestiert sie, aber als sie merkt, dass die Flöhe das auch nicht mögen, findet sie es gut. Wir setzen sie im Muggl auf die Kühlbox und geben ihr frisches Wasser. Sie verhält sich ruhig und sieht uns gespannt an. Sie wirkt erleichtert, als würde sie denken: Egal, was ihr mit mir macht, es kann nur besser werden.
Wir haben von der Humane Society gehört, die in Belize aktiv ist und sich um Tiere kümmert, vor allem um Straßenhunde. In der Hoffnung, dort jemanden zu treffen, fahren wir nach Placencia. Doch niemand ist da. Wir überlegen weiter, was wir tun sollen. Wir wollen so schnell wie möglich weg, also fahren wir nach Hopkins, um Internet zu suchen und weiter nachzudenken. Ich erinnere mich, dass man Hunden, die nicht fressen können, klein geschnittenes Hühnchen mit weich gekochtem Reis und Karotten in kleinen Portionen mehrmals am Tag füttert. In Hopkins koche ich also. Mit einer Gabel zerdrücke ich alles fein. Die kleine Hündin frisst gierig und legt sich danach mit vollem Bauch schlafen. So machen wir es den ganzen Sonntag und Montag. Am Montagabend treffen wir endlich jemanden von der Humane Society in Hopkins. Kelly wirft einen Blick auf unsere Kleine und sagt aufmunternd, sie sehe gar nicht schlecht aus. Sie habe schon Welpen in schlechterem Zustand gesehen. Das beruhigt uns. Sie gibt ihr ein Wurmmittel, ein Halsband, eine Leine, eine grüne Quietscheente, eine Tüte Hundefutter und eine Tüte Hundekekse. Jetzt sind wir versorgt.
Am Dienstag können wir endlich zur Tierärztin, Dr. Mia. Sie schätzt die Hündin auf sieben Wochen und wiegt sie: nur 2,5 kg. Es ist schwer zu sagen, wie viel sie wiegen sollte, da wir nicht wissen, welche Rassen sie hat. Die Tierärztin meint, es könnte ein Schäferhund-Mix sein. Ich erinnere mich, dass Lauren sagte, die Mutter sei ein Schäferhund-Mix. Die Mama ist ein schöner Hund: lange Beine, schlank und elegant, mit riesigen Ohren. Die Kleine kommt ganz nach ihrer Mama, sie haben die gleiche Maserung im Gesicht. Leider habe ich es verpasst, ein Foto von ihr zu machen. Die Kleine hat geschwollene Lymphknoten und Fisteln im Mund. Sie bekommt für zwei Wochen Antibiotika. Wenn die Lymphknoten abschwellen, wird sie hoffentlich besser fressen und schlucken können. Es kann auch sein, dass ihr Magen geschrumpft ist oder sich der Mageneingang verengt hat, was bei lange unterernährten Hunden vorkommt. Also braucht sie mehrmals am Tag ganz kleine Portionen Futter. Außerdem bekommt sie die erste Welpenimpfung gegen Würmer.
Die Tierärztin fragt uns, was wir mit ihr machen wollen: abgeben oder behalten? Gute Frage. Wir haben uns nicht groß Gedanken gemacht. Für uns war nur wichtig, dass sie nicht bei diesen Leuten bleiben muss. In den beiden Tagen mit uns hat die Kleine unser Herz gewonnen. Vor allem Christoph ist so verliebt, dass ein „Abgeben“ nicht mehr infrage kommt. Also haben wir jetzt einen Hund!
Manche fragen sich, warum man einen Hund aus dem Ausland „holen“ sollte, wenn es in Deutschland oder der Schweiz so viele Tierheimhunde gibt. Das mag stimmen, und ich bedauere sie alle. Doch für mich gibt es einen entscheidenden Unterschied: Die meisten Hunde in deutschen und schweizerischen Tierheimen landen dort, weil ihre Besitzer sie nicht mehr wollen. Sie erkennen, dass ein Hund Arbeit und Kosten bedeutet. Straßenhunde gibt es kaum, und die Zucht geht weiter, als wäre ein reinrassiger Hund besser als ein Mischling oder weil gerade Chihuahuas im Trend sind.
In vielen Ländern leben Straßenhunde, weil sich niemand um sie kümmert. Sie vermehren sich, aber das sind oft die liebsten Hunde der Welt, weil sie wissen, dass sie ganz unten in der Rangordnung stehen. Wir trafen liebe Straßenhunde, die nicht einmal Futter wollten, sondern nur ein bisschen Liebe, Streicheleinheiten oder einen sicheren Schlafplatz unter einem Dach. Wir hatten nie vor, einen Hund zu adoptieren, aber wir kümmerten uns um viele Straßenhunde und Welpen. An sie dachten wir noch lange, als wir weiterzogen. Maya konnten wir jedoch nicht zurücklassen. Eine Verkettung verschiedener Umstände ließ sie bei uns bleiben.
Also füttern wir sie mehrmals täglich mit weichem Hühnchen, Reis und Karotten. Das klappt gut, sie erbricht weniger und wird lebendiger. In den ersten Tagen schlief sie viel, jetzt spielt sie und wird frech. Sie stiehlt unsere Socken und versucht, Schuhe zu tragen, die ihr noch zu schwer sind. Es wird Zeit, sie zu erziehen, und wir stellen fest, dass sie schnell lernt. In den ersten beiden Wochen bringt sie uns „Sitz“ und „Pfote geben“ bei. Wir sind begeistert!
Nach einer Woche gehen wir zurück zur Tierärztin. Maya kann nun einen Namen in ihren Reisepass eintragen: Maya. Den Reisepass braucht sie, um mit uns zu reisen. Dort werden ihre Impfungen vermerkt, und bis maximal zehn Tage vor dem Grenzübertritt müssen wir mit ihr zum Tierarzt, um ein Gesundheitszeugnis zu erhalten. Wir informieren uns über die Grenzübertritte in Zentralamerika. Da alle Länder unterhalb Mexikos Hochrisikoländer für Tollwut sind und die gleichen Bestimmungen haben, sollten wir keine Probleme haben. Maya kann noch keine Tollwutimpfung erhalten, da diese frühestens ab der 12. Woche gegeben wird. Nach Guatemala dürfen Welpen unter 12 Wochen ohne Impfung einreisen. Wenn man jedoch von einem Tollwut-Hochrisikoland in ein Tollwut-kontrolliertes Land wie Mexiko reisen will, kann das Probleme geben, da diese Länder eine Tollwutimpfung zwingend verlangen.
Maya hat knapp ein Pfund zugenommen, und die Tierärztin ist zufrieden. Da sie viel aufgeweckter wirkt, scheint es nun nur noch bergauf zu gehen. Am 19. März reisen wir mit Maya von Belize nach Guatemala ein. Wir haben ihre Papiere dabei, aber niemand interessiert sich dafür. Keiner fragt nach „Mascotas“ und niemand will ins Auto schauen. Das war einfach! In Guatemala finde ich endlich wieder ordentliche Supermärkte. In einer Abteilung für Kleintiere bin ich glücklich. Maya bekommt eine Schüssel, eine Decke, drei verschiedene Spielzeuge, eine Tüte Welpenfutter und eine Tüte Leckerlis. Das alles gibt es in Belize nicht. Gegenüber Guatemala ist Belize ein wahres Hundeparadies, obwohl Hunde auch hier einen schweren Stand haben.
Die nächsten eineinhalb Wochen verbringen wir damit, unseren kleinen Scheißer zu füttern, zu knuddeln und zu erziehen. Sie hört schnell auf ihren Namen und hat Muggl zu ihrer Homebase gemacht. Sie liegt gern im Schatten unter ihm oder quietscht, wenn sie rein will. Am Lago Peten Itza lernen wir ein kanadisch-französisches Paar kennen, das auch mit Hund reist. Wir campen ein paar Tage am gleichen Platz, und mit Chuleta hat Maya jemanden zum Spielen. Von ihr lernt sie auch zu bellen und verteidigt ab jetzt ihr Zuhause, wenn andere Hunde in die Nähe kommen. Das Babybellen klingt zwar noch nicht furchterregend, aber es hat Wirkung. Die Streuner machen einen Bogen um Muggl.
Sie macht täglich Fortschritte. Mittlerweile klettert sie alleine aufs Bett oder auf den Beifahrersitz, wo sie jetzt schläft. Nachts weckt sie uns, wenn sie Pipi muss, und morgens schleicht sie sich zu uns ins Bett. Manchmal döst sie noch ein wenig mit uns, manchmal macht sie gleich ihre Morgentoilette und putzt sich wie eine Katze. Das Füttern klappt mal besser, mal schlechter. Jedes Mal, wenn ich von Hühnchen auf normales Hundefutter umstellen oder es zufüttern will, wird es schlimmer. Auch Einweichen hilft nicht. Ich vermute, dass nicht nur die geschwollene Lymphe und/oder der geschrumpfte Magen das Problem sind. In Foren suche ich nach „Hund kann nicht schlucken“ oder „Hund bleibt Futter im Hals stecken“, finde aber nichts. Sodbrennen, Reflux – alles geht mir durch den Kopf. Ich google Symptome und mögliche Lösungen, aber nichts ist eindeutig.
Am Ostersamstag erreichen wir frühmorgens Antigua, wo wir uns für zwei Wochen ein Airbnb reserviert haben. Muggl soll in die Werkstatt, wir machen einen Spanischkurs und gehen zum Zahnarzt. Ich habe Tierärzte herausgesucht, und als ich am Sonntagnachmittag im Park vor unserer Unterkunft mit Kathy ins Gespräch komme, die auch zwei Straßenhunde adoptiert hat, gibt sie mir weitere Empfehlungen. Wir tauschen Nummern aus, und wenn ich Fragen habe, darf ich mich melden.
Am Montagnachmittag geht es Maya wieder schlecht. Sie erbricht und sieht elendig aus. Ich laufe sofort mit ihr zum Tierarzt, den mir Kathy empfohlen hat. Zum Glück ist er in der Nähe und der Ostermontag kein Feiertag. In der alten Praxis mit alter Ausstattung und Instrumenten untersucht Dr. Sican sie. Er schaut sie genau an, tastet ihren Hals ab und horcht ihr Herz. Dann sagt er: „Das ist sehr interessant. “ Ein kurzes Zögern, dann: „Sie hat einen Herzfehler! “ Mir bleibt die Luft weg. So gelassen und routiniert der Tierarzt auch ist, für mich bricht eine Welt zusammen. Ein Herzfehler! Was bedeutet das? Er zeichnet mir alles genau auf, auch die genaue Bezeichnung: „Persistencia del 4. arco aortico“ auf Spanisch, „Persistenz des 4. Aortenbogens“ auf Deutsch. Ich soll das mal googeln, da findet man gute Artikel und Erklärungen.
Heulend trage ich Maya zurück. Sie scheint zu wissen, dass das nicht gut ist, und schaut mich an, als wolle sie mich trösten. Bei einer Persistenz des 4. Aortenbogens drückt die Aorta, die direkt vom Herz kommt, auf die Speiseröhre. Sie ist angewachsen, was sie nicht sein sollte. Das hat zur Folge, dass die Speiseröhre abgedrückt wird und kein Futter oder nur sehr wenig durchkommt. Das ist ein seltener Herzfehler bei Hunden, der am häufigsten bei Deutschen Schäferhunden vorkommt. Da steckt wohl doch mehr Schäferhund in ihr, als wir dachten und als uns lieb ist. Die Symptome, die ich in den Artikeln im Internet finde, stimmen genau mit Mayas überein. Einerseits sind wir erleichtert, weil wir endlich wissen, was sie hat, andererseits sind wir schockiert, dass es so gravierend ist.
Ab sofort bekommt Maya gemixtes Hühnchen mit Reis und Karotten, ganz flüssig und aus erhöhter Position, damit die Erdanziehungskraft hilft, das Futter hinunterzubefördern. Am Dienstag haben wir einen Termin zum Röntgen bei Dr. Sican. Das ganze Ausmaß wird deutlich: Die Blockade der Speiseröhre hat einen Megaösophagus bedingt, eine Erweiterung der Speiseröhre – und zwar wirklich mega! Die Speiseröhre der kleinen ist sehr stark erweitert, was für einen so kleinen Hund in so jungem Alter ungewöhnlich ist. Sie braucht so schnell wie möglich eine OP, damit sich die erweiterte Speiseröhre wieder etwas zurückbildet.
Ich will trotzdem andere Meinungen und schreibe Dr. Mia, Mayas erste Tierärztin in Belize, eine E-Mail mit Fotos. Ich gehe auch in eine andere Tierklinik in Antigua. Dr. Rosales, mit dem ich dort spreche, ist sehr hilfsbereit. Er führt diese Art von Operation nicht durch, kennt aber einen Spezialisten in Guatemala City, bei dem er uns gleich für den nächsten Tag anmeldet. Dr. Mia antwortet sofort, ist schockiert von Mayas Röntgenbildern, meint aber, dass wir Glück haben, einen Spezialisten gefunden zu haben, der diesen Herzfehler überhaupt erst diagnostizieren konnte. Meistens bleibt dieser Herzfehler unerkannt. Er könnte chirurgisch gut korrigiert werden, und der Megaösophagus kann mit der richtigen Ernährung und Füttern aus erhöhter Position gut gehandhabt werden. Das macht uns Hoffnung.
Am Mittwochnachmittag, dem 4. April, fahren wir mit Mayas Röntgenaufnahmen in einem Uber-Taxi zur Tierklinik zu Dr. Viau nach Guatemala City. Auch er ist ein sehr alter Tierarzt. Er schaut sich Mayas Röntgenbild an und sein Blick sieht nicht optimistisch aus. Er will auch die Fotos von Mayas Geschwistern sehen, um das Ausmaß einschätzen zu können. Er macht uns wenig Hoffnung. Er sagt, wir sollten sie einschläfern lassen, sie würde trotz Operation nie ein gesunder Hund werden. Ich frage, was wäre, wenn wir Maya nicht operieren lassen würden, sondern immer mit gemixtem Futter ernähren würden. Er meint, das Herz wird sich auf Dauer vergrößern, da die Speiseröhre auf die Aorta drückt und das Herz mehr arbeiten muss als bei einem gesunden Hund. Sie wäre dann immer schnell außer Atem, das Herz ständig stark belastet, und sie hätte kein langes Leben. Also auch keine Option!
Er sieht unsere Enttäuschung und meint, er könnte sie schon operieren. Dazu würde er sie aber mindestens zwei Wochen durch einen Schlauch ernähren, sie wäre ihm zu schwach für eine Operation. Frustriert fahren wir zurück nach Antigua und überlegen weiter, was wir tun sollen. Wir hatten beschlossen, dass wir sie sofort einschläfern lassen würden, wenn sie ständig leiden müsste. Da sie aber seit sie flüssiges Futter bekommt kein einziges Mal mehr erbrochen hat und immer munterer, fitter und verspielter wird, fällt uns die Entscheidung schwer. Am nächsten Morgen sind wir uns einig: Wir lassen sie von Dr. Sican operieren. Gleich am Nachmittag erkundigen wir uns über ihre Chancen und Risiken, wie lange die Genesung dauern wird und ob sie nicht zu dünn und schwach für eine Operation ist. Letzteres ist für ihn kein Problem. Er hat schon kleinere und jüngere Hunde operiert. Die Chancen, dass sie die OP überlebt, stehen bei 70%. Zehn Tage nach der Operation sollen die Fäden gezogen werden und so lange sollten wir mindestens in Antigua bleiben.
Die Operation wird für kommenden Dienstagnachmittag, den 10. April, angesetzt. Bis dahin erhöhen wir Mayas Portion langsam. Das flüssige Hühnchen klappt so gut, dass man ihr beim Wachsen zuschauen kann. Außerdem wird sie zwischendrin mit Bananen und Peanutbutter verwöhnt. Sie muss sich kein einziges Mal mehr übergeben und ist der glücklichste Hund auf der Welt. Wir merken täglich, wie sie mehr Energie hat, nach Hause rennt, weil sie den Weg zu unserer Unterkunft kennt, und dort mit den anderen Bewohnern spielt, die sie mittlerweile auch in ihr Herz geschlossen haben. Nur in der Schule schläft sie brav auf meinem Schoß. Spanischunterricht ist halt langweilig für einen kleinen Hund.
Am Tag der Operation bringen wir sie gleich am Morgen zu Dr. Sican. Dann habe ich keinen hungrigen Plagegeist am Hals, denn sie darf ja nichts essen. Um 17:00 Uhr wird sie operiert. Harte Stunden für uns. Erst am nächsten Morgen gehen wir wieder zu Dr. Sican, um nach ihr zu sehen. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut! Gott sei Dank! Sie kommt mir wieder so dünn vor und hat eine riesige Narbe hinter dem linken Vorderbein. Ihre Ohren, die sie sonst immer freudig hochgestellt hat, hängen traurig und ängstlich runter. Sie tut mir so leid und ich würde sie am liebsten sofort mitnehmen. Abholen dürfen wir sie aber erst am Nachmittag nach der Schule. An diesem Nachmittag rückt Maya keinen Zentimeter mehr von mir. Sie sucht Körperkontakt und schläft in der Nacht sogar auf mir, was bedeutet, ich schlafe kaum, weil ich ja nicht aus Versehen auf die Wunde drücken will. Ich habe meinen Spanischunterricht auf den Nachmittag verschoben, damit Maya daheim bleiben kann und immer jemand von uns bei ihr ist. Wir füttern sie alle drei Stunden und tragen sie dazwischen immer wieder raus, damit sie ihr Geschäft verrichten kann. Ein bisschen benommen wirkt sie schon noch von der Narkose, was normal ist. Sie hat aber nach wie vor einen gewaltigen Appetit und nimmt fleißig zu. Sie ist nach der Operation so schnell wieder fit, dass ich sogar sage, die Genesung geht mir fast zu schnell. Sie hat so viel Energie, spielt und fängt richtig an, mit uns zu raufen. Außerdem versucht sie, Schuhe aufs Bett zu schleppen und die Treppe runter und hoch zu hüpfen. Wir müssen sie da gelegentlich ein bisschen bremsen.
Am Freitag, dem 13. April, nässt ihre Wunde ein wenig. Ich lasse das vorm Wochenende noch vom Tierarzt anschauen. Alles gut, meint er, das ist nur Wasser, das aus dem Gewebe austritt. Er sieht sie sich genauer an, kontrolliert, wie sie atmet, und ist zufrieden. Ich soll Mitte nächster Woche wiederkommen und sie anschauen lassen. Er dokumentiert diesen Fall akribisch, weil er so selten ist. Damit sie sich nicht an der Wunde lecken kann, hat sie ein Satellitenhalsband bekommen und damit sie sich nicht kratzen kann, kaufe ich ihr noch ein T-Shirt.
Dass die nächsten Tage dramatisch werden sollten, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch am Samstag ist noch alles bestens. Sie spielt, liegt in der Sonne und freut sich riesig, wenn ich nur in Richtung ihrer Futterschüssel gehe. Am späten Sonntagabend ist sie umtriebig. Sie will sich nicht hinlegen und ich habe das Gefühl, irgendwas taugt ihr nicht. Sie findet einfach nicht die richtige Position, was zur Folge hat, dass sie kaum schläft. Ich gehe gleich am Montagmorgen mit ihr zum Tierarzt. Röntgenaufnahme – Lungenentzündung! Oh nein, nicht auch das noch! Was muss die arme Kleine denn noch alles mitmachen?! Jetzt wird es richtig schwierig, sagt Dr. Sican. Er erhöht erstmal die Antibiotika. Weiter kann man nichts machen, nur abwarten. Das werden drei harte Tage, meint er, und ich soll gleich morgen früh zu ihm kommen. Dann kriegt sie Sauerstoff. Dazu soll es aber nicht mehr kommen.
Details erspare ich euch. Maya stirbt am Montagabend, dem 16. April, um 22:25 Uhr in unseren Armen. Ich weiß das so genau, weil ich Minuten vorher noch versucht habe, den Tierarzt anzurufen. Innerhalb von zwei Stunden ging es ihr so schlecht und sie hat einfach aufgegeben. Wir sind schockiert, können es nicht fassen. Es dauert ein paar Tage, bis wir realisieren, was passiert ist. Wir haben alles versucht und nie aufgegeben, hatten so viel Glück, einen Tierarzt zu finden, der die Situation richtig erkennt und sie dann auch noch operieren konnte. Da fragt man sich schon, was das alles soll, wenn es dann so ausgeht.
Am nächsten Morgen bringen wir sie in die Praxis. Noch bevor der Tierarzt kommt, sind wir da. Auch er ist erstaunt und schockiert. Damit hat wirklich niemand gerechnet. Bei einer Lungenentzündung stirbt ein Hund nicht so schnell. Eine Lungenembolie wird vermutet. Wir überlegen, wo wir Maya beerdigen sollen. Am Stadtrand gibt es einen Aussichtspunkt, den Kathy empfohlen hat. Der nächste Tierfriedhof ist ein Stück entfernt und einfach beim Tierarzt abgeben wollen wir sie nicht. Ein Assistent von Dr. Sican bietet an, seinen Schwager zu fragen, der hätte eine Finca am anderen Ende der Stadt und die würden da auch ihre eigenen Hunde begraben. Ohne den Platz anzuschauen, nehmen wir das Angebot an. Sie packen Maya für uns ein. Um 16:00 Uhr sollen wir wieder in die Praxis kommen und der Assistent würde uns zur Finca seines Schwagers begleiten. Dort können wir sie dann beerdigen. In der Zwischenzeit kaufen wir Blumen und eine Kerze. Auch Gladys, die Putzfrau aus unserem Airbnb, und Rachel, unsere Zimmernachbarin, kaufen ihr Blumen. Die beiden waren ganz vernarrt in Maya. Als wir bei Francisco ankommen, hat der sogar schon ein Grab geschaufelt. Wir sind froh, dass wir das nicht selbst machen müssen. Es kostet uns schon so viel Kraft, das zuzuschaufeln. Es ist zwar nicht der allerschönste Platz. Die Finca ist neben einer Straße und einer Autowerkstatt. Aber Franciscos Familie ist so herzlich. Sie haben sieben Straßenhunde und vier Katzen. Da ist sie erstens nicht alleine und zweitens bei Leuten, die Tiere genauso lieben wie wir. Wir dürfen sie jederzeit besuchen.