Am Montagmittag, den 22. Januar, machten wir uns von Merida auf den Weg Richtung Südosten, mit Tulum als Ziel für die nächsten Tage. In Merida hatten wir ein amerikanisch-kolumbianisches Pärchen kennengelernt: Mariana aus Kolumbien und Eric aus Boston, USA. Begleitet wurden sie von ihrem Hund Marbel, einem Mix aus und Husky. Da sie die gleiche Route wie wir hatten, beschlossen wir, die nächsten Tage gemeinsam zu reisen.
Auf dem Weg nach Tulum gab es viel zu entdecken, vor allem die zahlreichen Cenotes – Wasserlöcher, die unterirdisch über ein Höhlensystem miteinander verbunden sind und teilweise beeindruckende Tiefen erreichen. Wir begannen unsere Erkundungstour bei den Cenotes rund um Cuzama. Vor etwa 200 Jahren wurde in dieser Gegend „grünes Gold“ angebaut und geerntet – eine Pflanze, deren robuste Fasern zur Herstellung von Seilen genutzt wurden. Heute sind die meisten Plantagen verwildert, aber ein Teil des Schienensystems, das einst zum Abtransport der Ernte diente, existiert noch. Pferde ziehen nun Besucher von Cenote zu Cenote. Anfang der Woche war es nicht besonders belebt, und der Parkplatz, eine große Wiese, war fast leer. Am Eingang gab es Toiletten und sogar eine Dusche, und wir mussten nichts fürs Übernachten zahlen.
Wir parkten am hinteren Ende des Parkplatzes am Waldrand, schlugen unser Lager auf und beschlossen, am nächsten Morgen früh die Cenotes zu besuchen. Es dauerte nicht lange, bis der erste Besucher auftauchte – eine Hundedame, die wir sofort fütterten, obwohl sie nicht verhungert zu sein schien. Seit kurzem hatten wir immer einen Sack Hundefutter dabei. Das sprach sich schnell herum, und nach und nach gesellten sich zwei weitere Hundedamen dazu, eine davon eine Mutter, die auch gleich ihre drei Welpen mitbrachte. Die Kleinen waren anfangs noch scheu, aber neugierig und tasteten sich immer näher an uns heran. Am Ende des Tages ließen sie sich zwar noch nicht fangen, aber sie lagen immerhin schon auf unserer Strohmatte vor dem Muggl. Zwei der Welpen waren weiß, was für Straßenhunde schnell unattraktiv aussieht. Der dritte war schwarzbraun mit hellbraunen Pfoten – alles Mädchen. Für den nächsten Nachmittag nahmen wir uns vor, die Kleinen zu waschen.
Am nächsten Morgen bekamen alle sechs Hunde erst einmal Frühstück. Sie waren natürlich schon vor uns wach und warteten mit wedelnden Schwänzen. Die Nacht hatten sie vor, unter oder hinter unseren Campern verbracht. Wir begaben uns auf unsere Cenotes-Tour und ließen uns von einem Pferd im kleinen Wagen über die Schienen von Wasserloch zu Wasserloch ziehen. Als wir zurückkamen, war die Hundemama nur mit einem Welpen da, und wir wunderten uns, wo die anderen beiden geblieben waren. Nach fast zwei Stunden waren sie immer noch nicht aufgetaucht, und wir begannen uns Sorgen zu machen. Wir fingen mit dem übrig gebliebenen Welpen an, inspizierten ihn und stellten fest, dass er Flöhe und einige Zecken hatte. Die Zecken entfernten wir per Hand oder Pinzette, und Mariana behandelte geschickt eine eitrige Entzündung zwischen den Zehen. Sie hatte einige Monate Freiwilligenarbeit in einem Tierheim geleistet und war im Umgang mit Hunden sehr geübt. Außerdem hatten sie ja ihren Marbel dabei und somit auch Medikamente und Flohmittel. Dann badeten wir den Welpen in Spülmittel, was Flöhe gar nicht mögen, und wuschen die toten Plagegeister einfach weg. Der Klomann drehte uns den Wasserschlauch in der Nähe auf und schaute uns freudig zu. Der kleine Welpe war tapfer und ließ alles über sich ergehen. Die Mama hatte uns anfangs noch zugeschaut, war aber mittlerweile verschwunden. Als wir fast fertig waren und ich den Welpen gerade abtrocknete – er schlotterte ganz schön und ich glaube, er war noch nie komplett nass – kam die Mama mit den anderen beiden zurück. Es schien fast so, als würde sie sie uns bringen, damit wir uns auch um sie kümmern. Also machten wir weiter.
Stunden später lagen alle drei Welpen und die Mama vor unserer Haustür, total müde von den Strapazen, aber strahlend weiß – zumindest zwei davon. Sie wichen uns den ganzen Abend nicht mehr von der Seite und ließen sich mittlerweile auch einfach hochheben und streicheln. Sie schliefen sogar in unseren Schößen ein, und selbst als wir sie zur Mama legten, weil wir ins Bett gehen wollten, wachten sie nicht auf. Wir schätzten sie auf knapp zwei Monate und ich fragte den Klomann, ob es nur drei wären und wem sie gehörten. Er meinte, es waren sechs und sie gehörten niemandem. Wenn wir einen adoptieren wollten, könnten wir das gerne tun. Die anderen drei wären auch schon mitgenommen worden. Die Hunde „gehörten“ der Community – den Leuten, die am Eingang der Cenote arbeiteten, den Kutschenfahrern, dem Parkwächter, den Betreibern der Imbissstände und eben auch dem Klomann. Sie kümmerten sich ein bisschen um sie und fütterten sie auch. Die Kleinen und auch die Mama waren sehr dankbar und richtig lieb. Leider konnten wir keinen mitnehmen. Eigentlich ist die Adoption eines Straßenhundes gar nicht so schwer. Man muss zuerst zum Tierarzt, dann bekommen die Welpen eine Impfung – ein harter Stoff, denn es heißt, wenn sie die darauffolgenden sieben Tage überleben, ist alles in Ordnung. Man muss dann immer kurz vor Grenzübergängen (in jedes Land unterschiedlich) zum Tierarzt und die entsprechend vorgeschriebenen Impfungen auffrischen oder verabreichen lassen. Das ist alles. Trotzdem nahmen wir keinen mit, aber es war knapp. Das Wissen, dass sie eine Mama haben und dort nicht verhungern müssen, half uns bei unserer Entscheidung. Wären sie allein oder kurz vorm Verhungern gewesen, wäre die Geschichte anders ausgegangen.