Wir sind auf dem Weg nach Page, Arizona, einer Stadt im äußersten Norden des Bundesstaates, nahe der Grenze zu Utah. Unser Ziel: der atemberaubende Horseshoe Bend und der mystische Antelope Canyon. Doch unser dritter Platten durchkreuzt unsere Pläne. Ausgerechnet an einer Steigung in einer Kurve beschließt der Reifen, die Luft abzulassen. Schnell weichen wir auf den Schotter neben der Straße aus, um der Gefahrenzone zu entkommen.
Mittlerweile sind wir im Reifenwechseln geübt, doch die brennende Sonne der Wüstenlandschaft Arizonas macht die Arbeit nicht leichter. Wir müssen zudem aufpassen, dass wir uns nicht in einen der winzigen, überall verstreuten Kakteen knien. Das Ausrichten der Faltrampen und das Positionieren des Wagenhebers ist auf dem steinigen Untergrund eine Herausforderung, da unser Fahrzeug, Muggl, einfach zu viel Bodenfreiheit für unseren Wagenheber hat. Nach etwa einer halben Stunde ist der Reifenwechsel geschafft. Zum Glück ist der Verkehr auf den langen Strecken in Arizona nicht allzu dicht, sodass wir sicher auf die Straße zurückkehren können.
Nun heißt es durchhalten: Bis Page sind es noch gut 100 Kilometer, und unser einziger Reservereifen ist bereits im Einsatz. Ein kurzer Stopp beim Horseshoe Bend liegt jedoch drin. Diese beeindruckende Laune der Natur, eine enge Schlaufe des Marble Canyon, liegt kurz vor Page. Nach einem zehnminütigen Spaziergang durch die Wüste erreichen wir die atemberaubende Aussicht.
In Page angekommen, suchen wir zunächst einen Reifenhändler, der auch Schlauchreifen flickt. In den USA ist das selten, da es als gefährlich gilt und die Versicherung dafür zu teuer ist. Wir wurden schon mit den entsetzten Worten: „Reifen mit Schlauch? Nein, das machen wir nicht! Das ist ja illegal!“ abgewiesen. Diesmal haben wir Glück: Big O Tires kann uns helfen und der kaputte Reifen wird sofort repariert. Doch es gibt ein Problem: Manche Schlauchreifen haben zwischen Schlauch und Felge ein Inlett (Felgenband), und dieses ist ebenfalls beschädigt. Da es normalerweise nicht so leicht kaputt geht, haben wir keinen Ersatz dabei und die Werkstatt hat nichts auf Lager. Sie können es jedoch bestellen, was ein paar Tage dauert, denn es ist Freitag und am Montag ist Memorial Day.
Na bravo! Fünf Tage gefangen in Page, einer Stadt, in der nichts los ist und ringsum nur Wüste. Eigentlich wäre das nicht so schlimm, aber ohne Reservereifen können wir Muggl nicht riskieren. Wir vertreiben uns die Zeit und richten unser „Büro“ auf dem Parkplatz vor einem Subway ein, wo wir deren WLAN nutzen und unsere Homepage aktualisieren. Einen Nachmittag verbringen wir am Lake Powell, zwischen den größenwahnsinnigen Amerikanern in riesigen Wohnmobilen und ATVs (All-Terrain Vehicles, also Quads). Die Abkühlung im See tut gut. Zum Glück müssen wir nicht zwischen all den Wohnmobilen campen. Wir verbringen die Tage einige Kilometer außerhalb auf einer Recreation Area. Zwar bedeutet das hin und her Fahrerei, aber dort haben wir unsere Ruhe und gehen das Risiko ohne Reservereifen ein. Wo der Amerikaner keine Steckdose hat, campt er in der Regel nicht, es sei denn, er hat ein Aggregat. Wir haben Glück: Die meiste Zeit sind wir abends allein.
Am dritten Tag machen wir eine lustige Begegnung. Als wir an diesem Spätnachmittag aus Page zurückkommen, ist das Gelände komplett leer. Kein Camper, Zelt oder Auto, nur unter einem Baum im Schatten sitzt eine kleine Gestalt. Christoph fragt die Gestalt, ob alles in Ordnung sei und wie er hierher gekommen sei. Die Gestalt gibt zu verstehen, dass alles in Ordnung ist und er sich nur ausruhen würde. Carl aus Toronto, Kanada, wandert! Seit gut drei Monaten ist er unterwegs, eineinhalb hat er noch vor sich. Sein Rucksack mit Zelt, Schlafsack und Proviant wiegt nur sechs Kilogramm! Wir haben uns gerade im Supermarkt mit Steaks, frischem Gemüse und kaltem Bier versorgt und fragen Carl, was er zum Abendessen auf seiner Speisekarte stehen hat. Da er extrem an Gewicht einsparen muss, gibt es bei ihm meistens Päckchensuppen, die er mit Wasser auffüllt und von der heißen Sonne aufheizen lässt. Klingt lecker! Christoph fragt ihn, wann er das letzte Mal ein Steak gegessen hat, und ich muss euch nicht genauer beschreiben, wie Carl sich gefreut hat, als wir ihm anboten, mit uns Steak mit Salat zu essen. Als Christoph ihm noch ein kaltes Bier in die Hand drückte, war das für ihn der Himmel auf Erden. Er sprintete los, um Feuerholz zu sammeln, als wäre er an diesem Tag noch keinen Schritt gegangen. So verbringen wir zusammen einen langen, warmen Sommerabend am Lagerfeuer und erzählen uns Reisegeschichten. Carl fühlt sich sichtlich wohl in unserer Gesellschaft und bietet uns als Dessert Marshmallows an, die er dabei hat, da sie ja nichts wiegen. Am nächsten Morgen weckt er uns um sechs Uhr, damit wir uns verabschieden können, und marschiert davon.
Mittlerweile ist Dienstag, der 30. Mai, und das bestellte Teil sollte irgendwann im Laufe des Tages in der Werkstatt eintreffen. Daher haben wir den Termin erst für Mittwochmorgen vereinbart. Heute wollen wir den Antelope Canyon besuchen. Da die Touren am Memorial Day Weekend komplett ausgebucht waren, haben wir für Dienstagnachmittag reserviert. Also geht es erst einmal wieder nach Page, wo wir am Supermarkt noch einen Stopp einlegen. Beim Aussteigen vernehmen wir ein lautes PFFFFFFFFFFFF. Wir können zusehen, wie dem hinteren linken Reifen die Luft ausgeht. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Was läuft denn verkehrt mit unseren Reifen oder Schläuchen?! Zum Glück ist die Werkstatt gleich um die Ecke. Also Kompressor raus, aufpumpen, hoffen, dass die Ampel grün ist, und um die Ecke. So stehen wir auf dem Parkplatz vor der Werkstatt und schauen zu, wie dem Reifen die Luft ausgeht.
Schläuche haben sie auf Lager, und so wird der Reifen ruckzuck repariert bzw. der Schlauch ausgetauscht. Wir können pünktlich zu unserer Antelope-Canyon-Tour aufbrechen. Zwischenzeitlich haben wir uns bei anderen IVECO-Fahrern und Schlauchreifen-erfahrenen Menschen erkundigt, was dazu führen könnte, dass uns immer die Luft ausgeht. Unsere Erkenntnis: Heutzutage werden eigentlich keine Schlauchreifen mehr hergestellt. Das bedeutet, die Innenseiten der Reifen sind nicht mehr so glatt wie früher und wetzen sich schneller ab. Also beschließen wir, die Schläuche, die wir austauschen, eine Nummer größer zu nehmen. Außerdem könnten die Schläuche, die wir montiert hatten, schon eine Weile oder falsch gelagert gewesen sein, sodass der Gummi nicht mehr so elastisch war. Wie auch immer, wir werden es im Langzeittest feststellen.
Am Mittwochmorgen erhalten wir endlich unser Inlett und die Werkstatt hat ordentlich mit uns zu tun. Mit komplett neuen Schläuchen verlassen wir kurz nach Mittag, machen einen letzten Stopp an der Tankstelle und verlassen die Wüstenstadt Page, um unsere Reise nach Norden fortzusetzen.