Da der gestrige Tag lang war, sind wir früh ins Bett gegangen
Es ist Mittwoch, der 9. August, kurz vor halb eins morgens, als ich Geräusche höre. Ich schaue bei jedem Fenster mehrmals hinaus, um den Unruhestifter zu entdecken. Obwohl Vollmond scheint und die Nacht klar ist, sehe ich nichts. Es wird ruhig, und ich lege mich wieder hin. Nach ein paar Minuten geht es weiter: Es scharrt, kratzt und klopft. Oben, unten, an den Seiten. Ich überlege, was das wohl sein könnte: ein Waschbär auf dem Dach, ein Stachelschwein unter dem Auto, ein Eichhörnchen, das die Wände hochklettert. Wieder stehe ich auf, suche und sehe nichts. Wieder lege ich mich hin. Die Geräusche scheinen überall zu sein und näher zu kommen.
Eine Invasion? Werden wir belagert? Das kann doch nicht sein! Welches Tier ist so schnell? Irgendetwas flitzt Speedy Gonzales-mäßig über das Auto? Durchs Auto? Durch die Verkleidung? Ich denke, ich höre schlecht. Plötzlich raschelt es unter der Motorhaube. Ha! Vielleicht ein Marder! Ich bin mir sicher und wecke Christoph, der bis dahin friedlich geschlafen hat. „Mach mal den Motor an, ich glaube, da macht sich ein Marder über die Kabel her. “ Er hört das Rascheln und Kratzen auch, lässt den Motor an, und tatsächlich: Wir können das Tierchen so zumindest aus dem Motorraum verscheuchen, und es plumpst in den Fußraum des Beifahrers! Es ist eine klitzekleine Maus! Damit hätten wir nicht gerechnet, dass so ein kleines Viech so viel Aufregung verursachen kann. Aber jetzt ist sie da und sofort wieder weg. Sie hat tatsächlich den Weg in die Isolierung gefunden und es scheint ihr dort zu gefallen. Sie saust von vorne nach hinten, von oben nach unten und schaut gelegentlich mal hier, mal da bei einem Schlitz oder Loch heraus. Sie scheint uns sagen zu wollen: „Hier bin ich, ihr kriegt mich nicht, ich ziehe jetzt hier ein! “ Na bravo!
Wir sitzen auf dem Bett und überlegen, wie wir diesen kleinen Rowdy wieder loswerden können, während sie fröhlich das Führerhaus erkundet, über den Beifahrersitz hoch bis zur Kopfstütze und wieder herunter klettert. Schließlich bauen wir aus einer Plastikbox, aufgestützt auf eine Wäscheklammer, eine Falle. Als Köder dient ein Keks, der ungefähr dreimal so groß ist wie die Maus. Beim ersten Versuch bin ich zu schnell, die Maus war noch nicht ganz drin und kann entwischen, bevor die Falle zuschnappt. Es dauert nicht lange, und das verfressene Mäuschen kommt wieder. Schon beim zweiten Versuch sitzt sie in der Falle! Es ist halb fünf. Sie weiß gar nicht, was mit ihr passiert, und schaut skeptisch. Damit sie da auch ja nicht herauskommt, stellen wir den vier Kilogramm schweren Kompressor auf die Box. Man weiß ja nie.
Wir lassen sie erst am Morgen frei, kurz bevor wir wegfahren, damit sie ja nicht wieder zurückkommt. Schlafen lässt sie uns aber nicht mehr. Sie nagt am Keks, um sich zu stärken, und versucht dann, sich aus ihrer Falle auszugraben, was ihr natürlich nicht gelingt, aber einen riesen Lärm macht sie. Am Morgen stelle ich sie auf den Picknicktisch. Sie scheint müde zu sein, kein Wunder, hat ja auch die Nacht durchgemacht. Jetzt tut sie uns fast ein bisschen leid, wie sie da sitzt. Bevor ich sie aus der Box lasse, sage ich noch zu ihr: „Überleg es dir nächstes Mal gut, ob du nochmal in einen Camper einziehen willst. “ Ich bilde mir ein, sie hätte genickt. Als ich die Box hochhebe, sitzt sie erst noch einen Moment wie versteinert da, bevor sie wieder Speedy Gonzales-mäßig in den Büschen verschwindet.